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Verantwortung statt Bestrafung

Ständig hört man Sachen wie: "Du musst dich durchsetzen! Am Anfang schön streng sein und dann später kannst du es ja ein bisschen lockern."

Gehe ich gedanklich ein paar Jahre zurück und überlege, wie ich solche Lehrer fand, fällt das Urteil klar aus. Ich war ein schüchternes, sensibles Mädchen und hatte immer Angst vor solchen Lehrern. Das Verhältnis ging durch die Strenge nicht unbedingt in die Brüche, aber ich hatte es immer im Hinterkopf, dass die Nettigkeit möglicherweise nicht lange anhält und der wahre Charakter schnell wieder zum Vorschein kommt.

Für mich war klar, dass ich so nicht sein will. Ich möchte, dass Schüler mich als Menschen wahrnehmen, dem man etwas anvertrauen kann, der mit sich reden lässt und der die Belange, Sorgen und Träume seiner Schüler ernstnimmt.

Neben Rechten habe ich Pflichten, das kriegen meine Schüler direkt am ersten Tag klargemacht. Neben Freiheiten gibt es auch Verantwortung. Und so kommt es, dass jeder Schüler eine Aufgabe übertragen bekommt, diese mehr als gewissenhaft ausführt (ich bin noch nicht zur Tür ganz rein, da kriege ich schon die brandaktuellen Krankmeldungen, Themenvorschläge und Petzereien über nicht erledigte Tätigkeiten mitgeteilt). Ich bekomme ehrliche Rückmeldungen und habe Schüler vor mir sitzen, die konzentriert sind, weil sie gelernt haben, einen Lehrplan zu lesen und mitentscheiden, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten im Unterricht tun können. Ich kriege Rückmeldungen, wenn gerade einfach alles zu viel ist oder wenn jemand Probleme hat, damit ich eventuell eingreifen kann. 

Eine Schülerin sagte diese Woche zu mir: "Frau M., bei Ihnen versteht man die Themen nicht nur endlich mal richtig, sondern man hat auch das Gefühl, dass Sie uns als Menschen, statt als kleine Leistungsmaschinen wahrnehmen"

Ein bisschen Pipi hatte ich schon im Auge, denn es zeigt mir, dass ich mit meiner Strategie gut fahre. Egal, ob in der Oberstufe oder in den jüngeren Jahrgängen, Verantwortung übertragen und nur den Rahmen darstellen, der die Schüler in die richtige Richtung führt, ist eine Strategie, in der ich mich authentisch verhalte und mit der ich entsprechenden Erfolg habe.

Denn letztendlich bin ich dafür da, den Schülern den Weg in ihre Zukunft zu zeigen, sie auf diesem Weg zu begleiten und sie auch mal stolpern zu sehen, während sie zu demokratiefähigen Menschen werden, die sich ihrer Rechte, aber auch ganz klar ihren Pflichten bewusst sind.

Schule ist ein hierarchischer Raum, drum sollten wir ihn nicht noch hierarchischer machen, als er ohnehin schon ist.