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Was Lehramt mit Mandalas zu tun hat

Bevor ich mit dem Lehramtsstudium begonnen habe, hatte ich eine gewisse Vorstellung, was das Studium betrifft, wie die Anforderungen werden könnten und was man mit sich bringen muss.

Ich habe in meinem Umfeld nachgefragt, was es über Lehrer denkt und fasse euch hier die Vorurteile zusammen, die am meisten genannt wurden:

- Bastelschere, rhytmisches Klatschen und Stuhlkreise sind ein eigenes Modul und quasi auch am Wichtigsten

- Mandalas sind die wichtigste Prüfungsleistung, wer über den Rand malt, fällt durch

- die Studierenden sind höchstens am guten Geld und den hohen Ferienzeiten interessiert

- "Dir ist doch einfach nur nichts Besseres eingefallen!" // "Das studiert doch echt Jeder, der nichts mit seinem Leben anzufangen weiß"

- (Lehramts)Studenten sind die Faulenzer der Nation, quasi wie Hartz IV, nur gesellschaftlich angesehener

- "das bisschen Unterrichten und Erziehen, das kann doch jeder" bzw. der widersprechende, aber direkt darauf folgende Satz:  "Also bei den Kindern heutzutage würde ich das ja nicht mehr machen"

- Lehrer/in will man doch nur wegen der Verbeamtung werden!

- "Jaja morgens Recht haben wollen und abends frei haben"

- Lehramtsstudierende sind Ökos

- Wir leben alle in einer Traumwelt bzw. Utopie

 

Du musstest schmunzeln? Oder teilweise zustimmen? Ich erzähle dir nun aus meinem Leben als Lehramtsstudierende, wobei ich dabei natürlich nur für mich, für meine Uni, für meine Stadt und für mein Bundesland reden kann.

 

Was mich zu ARGUMENT I bringt: Nicht alle Bundesländer und Universitäten sind gleich, warum sollten es also ihre Studierenden oder die Lehrer/innen sein?

 

ARGUMENT II: Ich muss euch enttäuschen, ich hatte noch nie eine Bastelschere in der Hand, Mandalas sind keine Prüfungs- oder Studienleistungen und rhytmisches Klatschen wird auch nicht unterrichtet :/ Stattdessen lernen wir über Lehr-Lerntheorien, haben Didaktik (wie unterrichte ich), Methodik (mit welchen Mitteln) und Forschungsmodule. Zudem gibt es Praktika in den Schulen, um praktische Erfahrungen zu sammeln, inhaltlich wichtige Module und viele weitere Module. In meinem Fall sind es 8 Module im Kernstudium (Pädagogik), die jeweils 2-3 Veranstaltungen haben, die jeweils mindestens eine Studienleistung haben und in jedem Modul noch eine Prüfungsleistung hat. Politik hat 10 Module, mit 2-4 Veranstaltungen, für Studien- und Prüfungsleistungen gilt das selbe, wie im Kernstudium. Hinzu kommt Französisch als Hauptfach mit 15 Modulen, à 2-3 Veranstaltungen. Das macht im schlechtesten Fall 109 Veranstaltungen. In viereinhalb Jahren. Das macht in etwa 14 Veranstaltungen pro Semester also auch pro Woche (das neunte Semester dient dem Abschluss, Hausarbeit, mündliche und schriftliche Prüfung), macht 28 Wochenstunden Präsenzzeit. Davon hat man noch keine Texte gelesen, keine Veranstaltung vor- oder nachbereitet, noch nicht für Klausuren oder mündliche Prüfungen gelernt, keine Hausarbeit geschrieben, kein Geld verdient oder Freunde gesehen.

 

Mimimi, sagen jetzt viele. Aber mit 28 Stunden Präsenzzeit und mindestens 12 Stunden Arbeit, liege ich schon bei 40 Stunden. Die anderen Sachen... siehe oben :D

 

Gutes Geld und Ferienzeiten, na klar. Dabei darf man aber auch nicht vergessen, dass man a) viereinhalb Jahre studiert und anderthalb Jahre Referendariat hinter sich hat, in der Schule unterrichtet, erzieht, Zuhause korrigiert, nachbereitet, vorbereitet. Natürlich sind die Ferienzeiten gut, aber mal ehrlich, Hauptaufgabe ist es doch, Schüler zu unterrichten. Nur wie soll man seiner Aufgabe nachkommen, wenn die Schüler im Urlaub sind? Zumal es auch während der Ferien Präsenzzeiten für Lehrer gibt.

 

Mir ist nichts Bessers eingefallen? Ich muss euch enttäuschen, ich habe vorher etwas Anderes studiert und mich dann bewusst für das Studium entschieden, weil ich Spaß daran habe, wenn 24 Schüler um mich herumwuseln, wenn ich Einfluss auf ihr Leben habe und ihnen etwas von mir weitergeben kann.

 

Ich glaube, wer meinen Artikel zum Zeitmanagement gelesen hat, meine Ausführungen eben zu den Stunden gesehen hat und sieht, was wir tun müssen und dann eins und eins zusammenzählt, kann erahnen, dass es zeitlich, körperlich und psychisch anfordernd ist. Also nichts mit Faulenzer der Nation. Wobei es auch die natürlich gibt. Aber das erkennt man meistens an der Anzahl der Semester (Semester 48 und so).

 

Unterrichten und Erziehen kann Jeder und keiner will heutzutage mit den schlimmen Kindern zusammen arbeiten. Was denn nun? Erziehung kann nicht jeder, sieht man ja zuhauf. Wer sagt, dass jeder unterrichten kann, dem gebe ich diese Fragen an die Hand:

- kannst du 45 Minuten planen?

- deine Pläne spontan umschmeißen?

- nach Lehrplänen, Curricula und Bildungsstandards arbeiten, dabei 24 verschiedene Schülerinteressen berücksichtigen, sowie deine eigenen Interessen einfließen lassen?

- bereit, Zuhause auch Unterricht vorzubereiten?

- bereit, zu korrigieren?

- IMMER, wirklich IMMER Vorbild zu sein?

- Inhalte so aufzubereiten, dass jeder sie versteht?

- Stichpunkt Binnendifferenzierung: Bist du bereit, unterschiedliche Aufgaben zu gestalten, auch wenn das bedeutet, dass im schlimmsten Fall 24 verschiedene Aufgaben erstellt werden müssen, damit wirklich jeder bestmöglich vom Unterricht profitiert

- bist du bereit, auch für Eltern immer erreichbar zu sein?

- bist du bereit, dich respektlos behandeln zu lassen und trotz allem immer noch Freude beim Lehrersein zu empfinden?

Diese Liste könnte ewig so fortgeführt werden, klar ist, dass Unterrichten eben nicht nur unterrichten ist. Und ich kann euch beruhigen: die Kinder sind nicht schlimmer als vor 5,10,20 oder 50 Jahren. Aber häufig die Eltern, dazu wann anders mehr...

 

Verbeamtung, geil, habe ich nichts gegen. Da spricht der pure Neid. Aber für euch Neider habe ich noch ein Sahnehäubchen: wer als Lehrer verbeamtet ist, schränkt auch seine Freiheit ein. Als verbeamteter Lehrer ist es schwierig bis kaum möglich, in eine anderes Bundesland zu wechseln. Das geht runter wie Öl, wa?!

 

Morgens habe ich Recht und abends auch. Weil frei hab ich ja nicht, siehe oben...

Aber mal Spaß beiseite, ein guter Lehrer beharrt nicht auf sein Recht, lässt Schüler mitbestimmen und mitgestalten und arbeitet auch nachmittags, damit die Kindheit dieser Schüler so erfolgreich wie möglich gestaltet wird.

 

Lehramtsstudierende sind Ökos? Ich hab selbstgestrickte Socken, zählt das?

Und die Traumwelt ist es nicht, die stellt sich auch keiner so vor: siehe oben. Und ein weiterer Begriff: Referendariat. Das sagt alles!