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Zweifeln ist nicht zweifelhaft

Als Lehrer_in liebt man alles in seinem Beruf: man darf jeden Morgen zur Schule gehen, bringt den Schützlingen Elemente bei, die man schon selber während der eigenen Schulzeit geliebt hat, schreibt Arbeiten, die man dann Zuhause korrigiert, hat mehrmals im Jahr so lange Ferien, wie andere Jahresurlaub haben und hat nebenbei noch ganz viel Freizeit, um Familie, Hobbys und Freunde unter einen Hut zu bekommen. Da zweifelt man ja wohl nicht daran, ob man das Richtige tut... oder?

 

Neulich fragte mich eine Kommilitonin leise und unsicher, ob ich manchmal Zweifel haben würde, ob der Lehrerberuf das richtige für mich sei. Natürlich habe ich Zweifel, ich habe Ängste, mindestens einmal im Jahr würde ich am liebsten alles hinschmeißen, im Lotto gewinnen und dann die Welt bereisen. Macht mich das zu einer schlechteren Lehrerin? Nein! Wie jeder andere auch ist es völlig normal, dass es Dinge gibt, die man am Beruf nicht mag, Dinge, die einem total auf die Nerven gehen. Ich kann nicht jeden Schüler gleichermaßen sympathisch finden (die Benotung ist trotzdem so objektiv wie möglich), nicht jeden Kollegen mögen und erst recht nicht jede Aufgabe, die ich erledigen muss. So wie mein Freund seinen Frühdienst im Krankenhaus hasst, weil man in der Schicht wäscht, so finde ich manche Klassen anstrengend und freue mich eben nicht auf den Unterricht mit ihnen. Ebenso in der Uni, ich finde französische Sprachwissenschaft schrecklich, mir sind Lerntheorien zu abstrakt und wenn um 6:30 der Wecker klingelt, dann verfluche ich ihn.

Und trotzdem gibt es dann wieder die Momente (die definitiv überwiegen), in denen ich das Erfolgserlebnis meiner Schüler miterlebe, wenn sie etwas wirklich verstanden haben oder das Funkeln in den Augen, wenn sie etwas erklären dürfen, die Frage "Frau M. ich hatte ja Geburtstag und wollte Fragen ob wir bitte bitte die Muffins während der Stunde essen dürfen?" oder Eltern, die mich zur Seite nehmen und mir dafür danken, dass ihr Kind wieder Spaß am Fach hat. Nicht mal das Korrigieren oder Texte lesen macht mir etwas aus. Aber: ich zweifel manchmal. Und das ist gut so. Ich stehe dazu, es ist nichts, wofür ich mich schämen müsste, jeder hat mal gute und weniger gute Tage, in denen er zweifelt, ihm alles gegen den Strich geht oder man am liebsten die Kaninchen aus ihrem Bau verscheuchen würde, damit man sich selber darin verkriechen kann.

Schlimm daran ist nicht der Zweifel an sich, sondern dass Viele mit ihren Gedanken alleine bleiben, weil sie Zweifel als Inkompetenz ihrer Person wahrnehmen. Dabei zeigt Zweifeln doch eigentlich, dass man sich mit sich auseinandersetzt, dass man untersucht, analysiert, beobachtet und etwas verbessern möchte. Leute, die hinterfragen und nicht dahinplätschern, würde ich sogar als die erfolgreichsten Lehrer bezeichnen. Von daher: vertraut euch Leuten an, redet mit ihnen und ihr werdet sehen, ihr seid nicht allein, es gibt soo viele da draußen, die ähnlich wie ihr fühlen und die einen "Leidensgenossen" wie euch gut gebrauchen könnten.

 

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